Der Wald der verschwundenen Dörfer
Auch wenn der Wald, der sich von Rohstorf bis Altenmedingen erstreckt, größtenteils im Landkreis Uelzen liegt, ist er für die Gifkendorfer „unser Wald“. Dort geht man spazieren, unternimmt Fahrradtouren oder reitet aus.
Und mitten in diesem Wald lassen sich seltsame Dinge finden: Plötzlich taucht mitten im Wald eine Wiese auf, eine Steinmauer oder Überreste einer Konstruktion aus Ziegelsteinen sind zu sehen. Diese Spuren deuten darauf hin, dass der Mensch hier früher schon einmal ansässig war. Und in der Tat: Ein Blick in die archäologische Literatur verrät uns, dass rund um Gifkendorf nicht weniger als neun Dörfer existierten, die im Laufe der Zeit wieder verschwanden. Zwei der Dörfer lagen nördlich und westlich von Gifkendorf, die anderen befanden sich alle im heutigen Wald. Wie ist zu erklären, dass all diese Dörfer verschwunden sind? Was war der Grund für diese Katastrophe? Liegt womöglich ein Fluch über dieser Gegend?

Steinmauer im Wald bei Scharnhop
Tatsächlich stammt das Siedlungsnetz in der Region aus dem Hochmittelalter. Die meisten Siedlungen entstanden im 12. bis 13. Jahrhundert, denn zu dieser Zeit waren die Lebensbedingungen auf dem Land günstig.
Der Krieg und die Unsicherheiten der Wikingerzeit und der slawischen Bedrohung waren vergessen. Mit dem Bevölkerungszuwachs kam es zur Gründung weiterer Siedlungen, und Land, das sich dafür eignete, wurde gerodet und beackert, manchmal auf Kosten der Vernunft. Man kann also sagen, dass es im Hochmittelalter kaum Wald gab, und obwohl die sehr sandigen und lehmigen Böden keine hervorragenden Erträge ermöglichten, war die Region recht dicht besiedelt. Im 14. Jahrhundert kam es plötzlich zu einem Massensterben dieser Dörfer. Der Krieg? Die Pest? Man ist versucht, die Ursachen solcher Phänomene in Katastrophen zu suchen. Doch nichts davon ist der Fall. Das einzige Katastrophenbeispiel ist Solchstorf, das im Dreißigjährigen Krieg verschwunden ist, vielmehr die Ursachen klimatischer und wirtschaftlicher Natur gewesen sind. Am Ende des 14. Jahrhunderts verschlechterten sich die klimatischen Bedingungen, was in der Folge zu einer Verschärfung der Lebensbedingungen führte. Man spricht von der kleinen Eiszeit, die über ein Jahrhundert andauern sollte. Es kam zu einer schweren Agrarkrise, die zur Landflucht führte: ein Teil der Bevölkerung zog in die Stadt um. Die Ernten fielen schlechter aus, und nach und nach wurden die Dörfer, die über wenig Weideland und eher schlechte Böden verfügten, aufgegeben – oder sie bestanden wie in Scharnhop nur noch aus einem einzigen Bauernhof. Mehrfach wurde die Region zudem von Pestepidemien heimgesucht. Man geht davon aus, dass ein Drittel der Siedlungen zu dieser Zeit verschwanden.
Dem aufmerksamen Wanderer bleiben die ehemaligen Lebensräume jedoch nicht verborgen. Wir haben bereits die Wiesen und die Steinmauern im Wald erwähnt, doch eines der wichtigsten Elemente sind die fossilisierten Ackerspuren in der Landschaft. Der Einsatz der Pflüge hinterließ spezifische Spuren, die manchmal in Form von aufeinanderfolgenden, etwa 3 bis 5 m breiten Wellen sichtbar bleiben, die den Waldboden rhythmisch durchziehen. Solche Überreste sind wegen des Bewuchses heute zwar schwer zu erkennen, doch es sind Spuren, die auf die Existenz verschwundener Dörfer hinweisen. Nachdem diese Siedlungen aufgegeben wurden, eroberte sich die Natur das Terrain im Allgemeinen in Form von Heide oder Wald zurück.
Wie entstanden Wölbäcker? Die Wölbäcker entstanden bei der Verwendung des Wendepfluges im Mittelalter. Ein solcher Pflug kippt die Scholle immer auf die gleiche Seite. Um zu vermeiden, dass der Ackerboden außerhalb der Parzelle auf den Nachbaracker geworfen wird, kippte man stets die Scholle zur Mitte des Ackers. Mit diesem jährlich wiederholten Verfahren entstand allmählich eine Wölbung in der Mitte des Ackers und vermittelt den Eindruck einer Wellenlandschaft.


Hohenrohstorf, Hoghenrodestorpe
Die Siedlung ist nicht nur durch Archiv-Urkunden, sondern auch dank einer archäologischen Ausgrabung (1946) bekannt.
Durch das umfangreiche Keramikmaterial wissen wir, dass die Siedlung um das 7. Jh. entstanden ist. Bei der Grabung wurde ein Backofen südlich der vermeintlichen Siedlung gefunden. Diese Siedlung bestand wahrscheinlich aus mindestens fünf Höfen, die laut Überlieferung im 14. Jh. aufgrund von Krieg und Seuchen zerstört wurden.
Köstorf
Das Dorf befand sich im Kostörfer Hausbusch, westlich von Volkstorf. Es ist kaum etwas über das Dorf bekannt, nur dass es im 16. Jh. schon verschwunden war. Es sind mehrere Sagen in Eulenspiegeltradition über Köstorf und seine Einwohner überliefert. Im 18. Jahrhundert plante der damalige Vogt aus Barendorf den Wiederaufbau dieses Dorfes, was schließlich jedoch scheiterte.
Hohen Wulfstorf
Sehr wahrscheinlich lag nördlich von Wulfstorf eine Siedlung mit dem Namen Hohen Wulfstorf. Der Name ist auf der Kurhannoverschen Landesaufnahme in Verbindung mit Ackerflächen an dieser Stelle kartiert.
Nach J. Jarfe wurde das Dorf im 12 Jh. gegründet und im 14 Jh. bereits wieder aufgegeben.
Scharnhop
Das Dorf lag am Weg von Gifkendorf nach Aljarn. Die Siedlung wird erstmals im 14. Jh. erwähnt und als slawisch bezeichnet. Sie bestand zu dieser Zeit aus sieben Höfen, im 16. Jh. gab es nur noch einen Hof. Heute noch sind Teile der Ackerfläche, Steinmauern und ein Backofen an der Dorfstelle zu finden.

Rest eines Backhofens in Scharnhop
Cote
Diese Siedlung lag südwestlich von Solchstorf. Viele Flurnamen (Cötenfeld, Cötenberg, Cötenmoor, etc.) erinnern an den Namen. Archiv-Unterlagen erwähnen das Dorf im 13. Jh., das aber im 16. Jh. mit Sicherheit schon wieder verschwunden war.
Ubeke?
Die Siedlung, deren Existenz nicht gesichert ist, soll im Wald südlich von Gifkendorf Richtung Hohnstorf gelegen haben. Dort sind noch eine Weidefläche und viele Spuren von fossilisierten Ackerflächen zu finden (sogenannte Wölbäcker).
Virle
Die Siedlung wird im 13. Jh. in Archivunterlagen erwähnt, doch schon im 14. Jh. ist das Dorf wüst. Es scheint, dass die Virler Bauern nach Hohnstorf umgezogen waren.
Kumlosen
Es gibt kein schriftliches Zeugnis über die Siedlung, die einen slawischen Ortsnamen trägt. Die Siedlung lag südostlich von Solchstorf, das Gebiet ist von Wölbäckern umgeben.
Solchstorf
Solchstorf ist eine Teilwüstung. Die Siedlung ist im 12. Jh. dokumentiert. Im 16. Jh. zählte das Dorf fünf Höfe, wurde aber im Dreißigjährigen Krieg komplett zerstört. Nach dem Scharmützel von Hohnstorf 1628 zwischen Kaiserlichen und Dänen zogen sich die geschlagenen Dänen zurück und verwüsteten dabei die Siedlung Solchstorf, bevor sie nach Gifkendorf weiterzogen, wo sie weiter plünderten. Es ist nicht bekannt, ob die Solchstorfer Bevölkerung massakriert worden ist oder flüchten konnte; in jedem Fall wurde der Standort aufgegeben. Solchstorf bestand weiter als Schäferei und dann als Gutshof, ohne je wieder ein Dorf zu werden.