Am Anfang war die Geologie

Die Geschichte von Gifkendorf beginnt nicht erst im 12. Jahrhundert n. Chr. mit der Gründung des Dorfes. Am Ort sind auch schon aus vorangegangenen Jahrtausenden Spuren menschlicher Besiedelung belegt. Es ist klar, dass die hiesige Landschaft für Menschen zu allen Zeiten interessante Vorteile bot. Um dies zu erklären, müssen wir aber weit bis in geologische Zeiten und insbesondere in die letzte Eiszeit zurückgehen, die die heutige Landschaft geformt haben.

Eiszeiten und Findlinge in Bleckede; einen Besuch Wert

Eiszeiten

Im Verlauf der letzten Million Jahre vor Christus erlebte Nordeuropa mehrere sehr kalte Perioden. In diesen Kälteperioden war Nordeuropa vollständig von einer Eiskappe bedeckt, die manchmal mehrere Dutzend Meter hoch war. Diese Gletscher, die aus Skandinavien und Finnland kamen, wurden von kaum vorstellbaren Kräften angetrieben und wirkten auf die Landschaft ein wie eine gewaltige Walze.

Die Landschaft um Gifkendorf vor 150 000 Jahren (Bildmontage: Archeokit).

Sie schoben und bewegten Tonnen von Schutt, Sand, Lehm, Kies und Findlingen vor sich her. Und als sich die Gletscher aufgrund einer klimatischen Erwärmung zurückzogen, hinterließen sie all diese Materialien in einem geologischen Chaos, das man als Endmoränenlandschaft bezeichnet. Zurück blieb eine Landschaft aus kleinen, sanft abfallenden Hügeln, wie wir sie hier in und um Gifkendorf vorfinden.

Dieses Ereignis fand in der Region letztmalig während der letzten großen Eiszeit statt, die Norddeutschland etwa 200.000 bis 150.000 v. Chr. heimsuchte, zu einer Zeit also, als sich Menschen nur sporadisch in der Gegend aufhielten, nämlich wenn das Klima es zuließ. Es ist diese von den Gletschern hinterlassene und geformte Landschaft, die die Grundlage unserer heutigen Umwelt bildet. Sie hat eine menschliche Ansiedlung ermöglicht. Gleich mehrere Faktoren begünstigten die dauerhafte Niederlassung von Menschen am Ort von Gifkendorf.

Vom Wind geschützt

Der erste Faktor ist mit der leicht hügeligen Landschaft verbunden. Die Senke am Standort Gifkendorf bietet den Menschen einen nachhaltigen und effektiven Schutz vor dem Wind, der ungehindert von der Küste her weht. Die Lage in Gifkendorf bietet dabei einen doppelten Schutz: vor den Nordseewinden, die sicherlich am unangenehmsten sind, aber auch vor den Ostwinden. 

Wasser überall

Ganz sicher war die geschützte Lage ein wichtiger Vorteil. Wie aber sieht es mit dem für eine menschliche Ansiedlung entscheidenden Zugang zu Wasser aus? Die geologische Situation macht deutlich, dass der Ort auch diesbezüglich begünstigt ist.

Gifkendorfer Hang

Das Regenwasser sickert in den Boden hinein. Die Lehmschichten (orange) verhindern eine tiefe Rieselung bis zum Grundwasser und behalten das Wasser kurz unter der Oberfläche. Grafik: Archeokit.

Die Böden in der Region bestehen aus vielen Komponenten, die von den Gletschern transportiert wurden: Sand, Kies, Findlinge, Lehm. Alle diese Komponenten sind gut vermischt und chaotisch angeordnet. So entstanden mehr oder weniger dicke lange Lehmschichten, die sich nur wenige Meter unter der Oberfläche befinden. Einige dieser Schichten treten übrigens im Osten des Dorfes zutage und machen jegliche Erdarbeit sehr mühsam, manchmal sogar fast unmöglich. Diese Lehmvorkommen wurden übrigens bis zum Anfang des 20. Jhs für die hiesige Ziegelsteinproduktion verwendet. Der Lehm spielt jedoch eine wichtige Rolle: Er verhindert, dass das Wasser in die Tiefen des Bodens eindringt, fördert die Entstehung von Wasserlöchern an der Oberfläche, die Bildung von Wassertaschen in geringer Tiefe im Boden und führt außerdem dazu, dass das Wasser in Form eines kleinen Baches auf halber Hanghöhe herausspringt, wie an der Straße nach Solchstorf auf dem Flurnamen Silberstücke.

Das bedeutet, dass Wasser für den Menschen in jeder Epoche mühelos zugänglich war. Tatsächlich verfügte jeder Hof in der historischen Zeit von Gifkendorf über einen eigenen Brunnen, der keine große Tiefe brauchte. Und auch die Anzahl der Teiche, die bis ins 20. Jahrhundert – vor den umfangreichen Sanierungen – existierten und die im Laufe der Jahrhunderte regelmäßig als Viehtränke genutzt wurden, belegt die natürlichen Wasservorkommen.

Oben: die letzten Brunnen von Gifkendorf, Höfe Nr. 11/33, 5/61 und 10/54. In der Mitte: Die „Soodwippe“, eine traditionelle Vorrichtung, um Wasser fast mühelos aus dem Brunnen zu holen.
Das dicke Ende des Holzarms fungiert beim Heraufziehen des vollen Eimers aus dem Brunnen als Gegengewicht.
Unten: Karte aus dem Jahr 1844 mit den zahlreichen Wasserlöchern im Dorf. Bilder, Grafik, Karte: Archeokit.

Die ersten Siedler wussten in der Standortauswahl genau, was sie taten. Siegel (Hof 6/69) errichtete 1881 seinen Hof nur 50 Meter westlich des Rundlings neu. Aber dort erwies sich der Zugang zum Wasser als schwieriger, weshalb der Hof immer wieder Probleme mit der Wasserversorgung hatte.

Der Windschutz, der Zugang zu Wasser und das Vorhandensein von Ackerflächen, die zwar nicht besonders fruchtbar waren, aber bewirtschaftet werden konnten, sind die drei Voraussetzungen gewesen, die die Ansiedlung von Menschen auf dem Gelände des späteren Gifkendorf ermöglichten bzw. begünstigten.